Kommentar von Clemens Wieltsch,
Chefredakteur
Unter Bauern und ihrer Standesvertretung macht sich
die Europäische Kommission dieser Tage wohl keine Freunde. Der Bruch mit dem einst unter Führung von Österreichs EU-Agrarkommissar Franz Fischler er-
dachten Zwei-Säulen-Modell samt Pflichten zur Guten Landwirtschaftlichen Praxis sorgt nicht nur hierzulande
für Kopfschütteln. Das passt so gar nicht zum von der Kommission vorab vertretenen Sager, wonach
„Evolution statt Revolution“ der Gemeinsamen Agrarpolitik anstünden.
So sehr die proklamierten Kürzungen um mehr als ein Fünftel schmerzen,
darf man auch vorsichtig beruhigen. Schließlich ist es nicht der erste
(über-)ambitionierte Plan, den die Beamten im Brüsseler Berlaymont-Gebäude erdachten. Nur in den seltensten Fällen schafften es diese eins zu eins durch
den Gesetzwerdungsprozess. Für die Agrarpolitiker in den Mitgliedstaaten
und im EU-Parlament heißt es nun Ärmel hochkrempeln und sorgfältig überlegen. Es wird in den kommenden eineinhalb Jahren viel Verhandlungs-geschick brauchen, um die befürchteten Wettbewerbsverzerrungen und auch
die Degression der Direktzahlungen umzukehren oder zumindest auf ein verträgliches Maß zu reduzieren, ja, im Idealfall vielleicht doch noch einen eigenen Agrartopf herauszuschlagen. Einmal mehr zeigt sich, wie bedeutend eine starke Vertretung der österreichischen Bauernschaft in Brüssel ist. Letztlich liegt es an ihnen, dass sich in der Gemeinsamen Agrarpolitik doch nur die erhoffte Evolution einstellen wird.