Der vergessene Bauernkrieg

Auch in der jüngeren Vergangenheit setzten sich Bauern gegen unverhältnismäßige Auflagen zur Wehr, zuletzt 1919 und 1920. Ein kürzlich erschienenes Buch rekonstruiert die Ereignisse dieses „vergessenen Bauernkriegs“.

Kaum eine Zeitspanne der österreichischen Geschichte wurde breitenwirksam so detailliert aufgearbeitet, wie die Staatswerdung nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Dokumentarfilmreihen wie etwa „Österreich I“ sowie zahlreiche Fachbücher analysierten zur Genüge die turbulenten Tage und Wochen des Umbruchs, die Österreich im 20. Jahrhundert prägten. Möchte man meinen. Tatsächlich gelang dem Historiker und Mostviertler Bauernsohn Anton Distelberger hier das Unmögliche. Er beleuchtet in einem kürzlich erschienen Buch auf gut 400 Seiten die Bauernaufstände in den Jahren 1919 und 1920, welche bisher nicht in einem großen Zusammenhang betrachtet wurden.

Hintergrund: Die junge Republik (Deutsch-)Österreich behielt in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg das System der Kriegswirtschaft bei. Für Bauern bedeutete das, ihre Erzeugnisse wie Getreide, Holz, Fleisch und Milch durften nicht zu marktkonformen, sondern nur zu staatlich festgelegten Preisen abgegeben werden. Jede Form der Direktvermarktung wurde kriminalisiert. Konsumenten erhielten Lebensmittel nur gegen Bezugsschein. Das war nach dem Zusammenbruch der Monarchie schon allein deshalb notwendig, um in der einstigen Hauptstadt des Vielvölkerstaats Wien die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Den Bauern missfiel diese anhaltende Marktverzerrung naturgemäß. Wie Distelberger in seinem Buch darlegt, kam es bis zur Aufhebung der Kriegswirtschaft im Jahr 1920 im niederösterreichischen Wald- und Mostviertel, in der Ost- und Südoststeiermark, aber auch in Vorarlberg deshalb zu gewaltsamen Ausschreitungen. Wieso aber schafften es die Bauernrevolten nicht in die allgemeine Erinnerungskultur? Aus Sicht des Autors wohl allein deshalb, weil diese anders als die damals ebenso mit Waffengewalt agierende Arbeiterschaft keine tödlichen Verwundungen nach sich zog. „Mechanismen der Streitschlichtung, der Beruhigung und des Ausverhandelns von Kompromissen, aber auch einer juristischen Aufbereitung“ hätten demnach zu einer gütlichen Einigung beigetragen, unter Federführung der damals noch jungen Standesvertretung.

„Der vergessene Bauernkrieg“ gibt einen runden Überblick über eine heiße Phase bäuerlicher Geschichte in Österreich. Eine umfassende Sammlung an gegenübergestellten Primärquellen erlaubt einen sachlichen Blick auf die Thematik. In einzelnen Kapiteln wird jeder nachweisbare Aufstand detailliert aufgeschlüsselt. Insbesondere Ortskundigen ist dieses Buch somit wärmstens zu empfehlen.

Der vergessene Bauernkrieg
Requisitionskämpfe in der jungen Republik
Von Dr. Anton Distelberger,
Innsalz-Verlag, 404 Seiten, 29 Euro,
ISBN: 978-3-903496-38-5

- Bildquellen -

  • Der vergessene Bauernkrieg Cover Small: Innsalz-Verlag
- Werbung -
AUTORClemens Wieltsch
Vorheriger ArtikelMit Waffengewalt gegen die Obrigkeit
Nächster ArtikelMedaillenregen für die LFS Pyhra