Mit einigen Stunden Verspätung und dem Vernehmen nach „Verhandlungen bis zur letzten Minute“ hat die EU-Kommission heute (Mittwoch) ihren Vorschlag für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU vorgelegt. Knapp 2.000 Mrd. Euro soll dieser umfassen, so viel wie noch nie. EU Haushaltskommissar Piotr Serafin dazu: „Das Ziel des nächsten MFR ist ein moderner, flexiblerer Haushalt, der auf die Herausforderungen von heute, aber auch von morgen reagiert.“ Mehr Geld soll demnach in die Verteidigung fließen, der eigenständige Budgettopf für die GAP kommt hingegen unter die Räder.
Diese soll künftig mit Regionalpolitik, Migration und Sicherheit aus einem einzigen Fonds gespeist werden. Der sogenannte „Nationale und Regionale Partnerschaftsplan“ ist mit 865 Mrd. Euro dotiert, wovon lediglich 302 Mrd. Euro fix für die Landwirtschaft reserviert sind. Zum Vergleich: In der laufenden Periode stehen EU-weit 387 Mrd. Euro zur Verfügung.
Sparen bei „Geldern die nicht bei Bauern landen“
Laut Agrarkommissar Christophe Hansen seien die gut 300 Mrd. Euro für Direktzahlungen zweckgewidmet. Das bisherige Zwei-Säulenmodell soll genauso auslaufen wie die Finanzierung der Regionalentwicklung aus Agrargeldern. Hansen: „Mit dem Ein-Topf-Haushalt haben wir viel mehr Potenzial“. „Bestehende Maßnahmen und Mittel“ bleiben seinen Ausführungen zufolge dennoch erhalten. So bestehe für nationale Regierungen künftig die Möglichkeit über weitere Agrar-Beihilfen zusätzliche Mittel aus dem Fonds abzurufen. Sparen wolle man hingegen bei all jenen Geldern welche „nicht in den Taschen der Bauern landen“, etwa bei der Finanzierung von LEADER-Projekten.
Weniger Flächenprämie ab 20.000 Euro
Wiewohl Hansen vor dem Ausschuss für Landwirtschaft des Europäischen Parlaments betont, dass er weiterhin für „Evolution statt Revolution“ stünde, sieht der Kommissionsentwurf außerdem ein Degressionsmodell vor, welches größeren Betrieben stufenweise die Direktzahlungen kürzt. Dies sei dem Kommissar zufolge notwendig um kleineren Betrieben Neueinsteigern und Junglandwirten künftig besser unter die Arme greifen zu können. Geht es nach der EU-Exekutive ist ab 2028 bei 100.000 Euro Direktzahlung je Betrieb und Jahr Schluss. Bei mehr als 75.000 Euro soll um 75 Prozent gekürzt werden, zwischen 50.000 und 75.000 Euro um die Hälfte. Aber auch Höfe die zwischen 20.000 und 50.000 Euro erhalten, sollen ein Viertel weniger Gelder bekommen.
Bauernvertreter mit geharnischter Kritik
Von der Abkehr des eigenständigen GAP-Budgets herzlich wenig halten Österreichs Agrarpolitiker. Vom „Anfang vom Ende der Gemeinsamen Agrarpolitik“ spricht etwa LK-Österreich-Präsident Josef Moosbrugger. „Die angekündigten Kürzungen sind absolut nicht akzeptabel“, erklärt Bauernbund-Präsident Georg Strasser. Agrarpolitik und Agrargelder müssten auch zukünftig separat behandelt werden, „mit einem Budget, das den Herausforderungen gerecht wird“, ist er überzeugt.
Auch ÖVP-Agrarsprecher im EU-Parlament, Alexander Bernhuber, sieht im Vorschlag „große Gefahren“: „Wenn wir über Sicherheitspolitik sprechen, dann gehört Agrarpolitik hier genauso dazu“, betont er, wohl im Hinblick der Budgetaufstockung für Verteidigung. „Unsere Landwirtinnen und Landwirte sichern die Lebensmittelversorgung in Krisenzeiten und sind somit ein zentraler Pfeiler europäischer Sicherheit“, ist er überzeugt.
Bernhuber: „Wenn wir über Sicherheitspolitik sprechen, dann gehört Agrarpolitik hier genauso dazu.“
Als „gefährliches Spiel“ bezeichnet der Parlamentarier außerdem die angedachten Freiheiten für Beihilfen in den Mitgliedstaaten. „Dieser Vorschlag führt dazu, dass künftig unterschiedliche Beträge in den einzelnen Ländern ausgezahlt werden könnten“, erläutert Bernhuber und warnt vor Wettbewerbsverzerrungen. Das dürften auch Teile der EU-Kommission so sehen. Wie Agra-Europe schreibt, haben zumindest Teile der Generaldirektion für Wettbewerb bis zuletzt Bedenken geäußert, wenn Mitgliedstaaten zu viel Einfluss auf die Agrarpolitik nehmen würden. Hier hält Agrarkommissar Hansen dagegen, dass bereits jetzt in allen 27 EU-Ländern eigene nationale Strategiepläne bestehen, welche man künftig „noch individueller“ gestalten wolle.
Zweite Säule für Österreich wesentlich
Die „zentrale Gefahr für Österreichs Landwirtschaft“ macht indes Österreichs Agrarminister Norbert Totschnig in der geplanten Auflösung der Zwei-Säulen-Struktur aus. „Gerade unsere kleinstrukturierte und familienorientierte Landwirtschaft ist stark von der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik abhängig“, so der Minister. Aus der sogenannten Ländlichen Entwicklung werden bekanntlich Bergbauernförderung und Umweltleistungen finanziert. Eine „faktische Kürzung“ dieser Mittel dürfe es demnach nicht geben.
Strasser: „In Zeiten multipler Krisen brauchen wir ein starkes Agrarbudget.“
Der Bauernbund plädiert unterdessen für einen weiterhin eigenständigen Agrarhaushalt. „In Zeiten multipler Krisen brauchen wir ein starkes Agrarbudget, um die Wettbewerbsfähigkeit, die nachhaltige Produktion und die Versorgungssicherheit in Europa sicherzustellen“, so dessen Präsident Strasser. Auch Oberösterreichs Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger plädiert für eine solche Lösung: „Die GAP ab 2028 muss effizienter, einfacher, nachhaltiger und praxisnäher werden.“
Erste Debatte noch diese Woche
Immerhin, sowohl Agrar- als auch Haushaltskommissar erklären heute: „Das ist erst der Anfang von vielen Diskussionen“. Denn sowohl für GAP als auch MFR bedarf es der Zustimmung der Mitgliedstaaten. Erstere dürfte schon am Freitag im Sonderausschuss Landwirtschaft in Brüssel debattiert werden.
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