Glasflügelzikaden sind weltweit verbreitet und zählen mit mehr als 2.000 Arten zu den artenreichsten Familien innerhalb der Zikaden. Das Problem: Sie sind Vektoren, also Überträger zweier bakterieller Erreger (Candidatus Phytoplasma solani und Arsenoponus phytopathogenicus), welche in Rüben die Krankheiten Stolbur (RTD), umgangssprachlich Gummirübe genannt, und das „Syndrom der niedrigen Zuckergehalte“ (SBR, „Syndrome Basses Richesses“) hervorrufen. 

In Deutschland breiten sich mit der als Hauptverursacher ausgemachten Schilf-Glasflügelzikade beide Krankheitsbilder seit 2018 aus. In der Fachpresse ist von „der größten phytopathologischen Herausforderung seit den 1970er-Jahren“ die Rede. Erstmals entdeckt wurde der SBR-Krankheitskomplex in den 1990er-Jahren im französischen Burgund. Im deutsch-französischen Grenzgebiet wurde er erstmalig 2009 nachgewiesen. Zwischen 2018 und 2024 kam es zu einem starken epidemischen Ausbruch der Krankheit vor allem in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie in einzelnen Regionen in Bayern. Mittlerweile ist den Experten zufolge eine bundesweite Ausbreitung gegeben, wobei nicht klar sei, wie groß der Anteil an infizierten Zikaden in der Population ist.

SBR kostet Zucker

SBR bringt dabei erhebliche wirtschaftliche Einbußen mit sich. Erträge und Zuckergehalte befallener Bestände fallen im Mittel um 60 beziehungsweise 30 Prozent geringer aus. Auch Lagerfähigkeit und Verarbeitungsqualität werden deutlich gemindert. 2023 waren in Deutschland rund 40.000 Hektar Zuckerrüben von SBR und Stolbur betroffen. Im Vorjahr hat sich diese Zahl fast verdoppelt. Beinahe 75.000 Hektar sollen befallen gewesen sein, was knapp einem Fünftel der deutschen Anbaufläche entspricht.

Symptome in Rüben …

Die Krankheitssymptome variieren in Abhängigkeit von den beteiligten Erregern und dem Zeitpunkt der Infektion. Ein Befall mit dem Arsenoponus-Bakterium führt vor allem zu Vergilbung zwischen den Blattadern und im Neuaustrieb zu verkleinerten, lanzettförmigen und verdrehten Blättern. Der Rübenkörper weist Leitbündelnekrosen auf. Im Fall einer Doppelinfektion kommt es zusätzlich zum Absterben des Blattapparates sowie zur Ausbildung der für Stolbur namensgebenden Gummirüben, lagerfäule-ähnliche Symptome inklusive.

… und in Kartoffeln

Doch damit nicht genug. Glasflügelzikaden erweitern ihr Spektrum an Wirtspflanzen ständig. Zahlreiche Gemüsesorten sind betroffen. In Kartoffeln überträgt die Schilf-Glasflügelzikade die sogenannte Bakterielle Knollenwelke. Die Pflanzen dienen der Zikade in allen Entwicklungsstadien als Nahrungspflanze. Geschädigte Kartoffelpflanzen fallen durch die Bildung von Geiztrieben und Luftknollen, roten Verfärbungen an Stängeln und Blättern sowie Gummiknollen und Nabelendnekrosen auf. Die Erträge fallen dementsprechend geringer aus, der Anteil an Kartoffeln unter 35 Millimeter steigt genauso wie die Absortierungen. 

Quelle: Südzucker AG
Kleine Zikaden, großer Schaden

Schwierige Bekämpfung

Verursachen Zikaden im Bestand Schäden, gestaltet sich die Bekämpfung übrigens schwierig. Den Berufskollegen in Deutschland wurde heuer für Zuckerrüben wieder eine Notfallzulassung zur Ausbringung von Pyrethroiden in Kombination mit systemischen Wirkstoffen gewährt. Diese galt allerdings erst nach Warndienstaufruf und auch nur in sogenannten „Hot-Spot-Regionen“. Dort wurden betroffene Rübenbauern per Rundschreiben über die Möglichkeit einer Pflanzenschutzmaßnahme informiert.

Österreich sorgt vor

Wohl um einen Flächenbrand wie in Deutschland zu verhindern, wurden AGES und das Forschungszentrum der Agrana heuer hierzulande aktiv. Seit Anfang August steht auf der Website des LK-Pflanzenschutz-Warndienstes eine Monitoringkarte mit aktuellen Fangzahlen der Glasflügelzikaden zur Verfügung. Erhoben wird deren Aufkommen an 46 Standorten im österreichischen Zuckerrübenanbaugebiet (44 Zuckerrübenstandorte, ein Kartoffelschlag, ein Windschutzgürtel). „Ziel ist es, mögliche Gegenmaßnahmen frühzeitig einzuleiten und Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen so gering wie möglich zu halten“, informiert die LK.

- Bildquellen -

  • Zikadenbekbämpfung: Südzucker AG
  • Zikadenbekbämpfung: Südzucker AG
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AUTORClemens Wieltsch
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